Failure is an option (deutsch)

Kein Forschungsprojekt gelingt von vornherein perfekt. Viele WissenschaftlerInnen machen Fehler, lernen daraus und beginnen von vorn. Nur wird darüber öffentlich selten gesprochen. Das sollten wir viel mehr tun: in Journals und auf Konferenzen.

Es ist auch Teil von offener Wissenschaft, transparent über Fehler und missglückte Forschung zu berichten. Das meint nicht die Publikation von Nullergebnissen, sondern Methoden und Designs, die aufgrund eigener Entscheidungen oder externer Rahmenbedingungen schief gegangen sind. In unseren Journals, zumindest im Public Management, gibt es hierfür bisher keinen Platz und in der Regel sprechen WissenschaftlerInnen hierüber (öffentlich) nicht gern. Wer gibt schon gern zu, was man nicht bedacht oder worin man sich geirrt hat.

Fehlerkultur

Dennoch verwundert dieser Umgang mit Fehlern, denn die allermeiste Forschung basiert auf trial and error. Nur dass über die trials and errors oft niemand spricht, wenn dann das endgültige Ergebnis da ist. Gerade für Neulinge in der Forschung erscheint es oft magisch, wie Studien direkt zur richtigen Lösung gelangt sind. Nur bei der eigenen Forschung klappt es dann vermeintlich immer nicht.

Hinzukommt, dass kumulative Promotionen und der allgemeine Publikationsdruck dazu verleiten, jede Studie publizieren zu wollen, statt Folgestudie um Folgestudie durchzuführen.

offene Labortagebücher

Eine Lösung für solche Probleme ist in einigen Disziplinen schon verbreitet: die offenen Labortagebücher. In einem solchen Tagebuch notiert man regelmäßig den Fortgang einer Studie und vermerkt eben auch, was nicht geklappt hat. Wenn diese Notizen nun offen zugänglich gemacht werden (z.B. auf github), sind sie für alle nachlesbar. Das Problem daran ist, dass wahrscheinlich nur wenige Forscher in solche Projekt-Logs hereinschauen, bevor sie eine Studie planen. Das gleiche gilt für eigene Blogs oder Webseiten, auf denen ForscherInnen den Fortgang ihrer Forschungsprojekte ausführlich dokumentieren. Lobenswert ist diese Offenheit in jedem Fall, nur erreicht sie wahrscheinlich nicht genug Leser.

‚failure‘-Sektionen in Journals

Deshalb gehören solche missglückten Versuche meiner Meinung nach in unsere Journals und auf unsere Konferenzen. Ein in Produktion befindlicher Special Issue des International Journal für Qualitative Methods macht hier einen tollen Aufschlag. Für ein Themenheft zu „Qualitative and Mixed Method Failures“ waren ForscherInnen eingeladen über Situationen oder Ereignisse zu berichten, „in which [their] choices, presence, or influence contributed conceivably to an adverse or undesirable research process or outcome(s)” (IJQM 2019). Solche Artikel sucht man sonst, auch in den Methoden-Journals, vergeblich. Gerade in diesen Zeitschriften könnte aber eine regelmäßige Sektion zu learnings nicht schaden. Und auch in den fachspezifischen Zeitschriften scheint mir dies eine gute Idee, wenn sich Probleme beispielsweise auf spezielle Populationen (z.B. Public Administration) oder fachspezifische Methoden beziehen.

Es wäre auch denkbar, eine solchen Abschnitt zu „learnings“ in die eigentlichen Forschungspapiere zu integrieren. Meiner Erfahrung nach berichten die meisten ForscherInnen sogar ziemlich transparent über ihren Forschungsprozess, häufig ist dies aber die erste Streichmasse in den Artikeln. Und am Ende kann es dann eben keiner mehr nachlesen. Warum also nicht beispielsweise diesen Punkt in ein strukturiertes Abstract integrieren? Neben ‚results‘, ‚method‘ und ‚practitioner points‘ gibt es dann eben auch ‚learnings‘.

das ‚fuck up‘-Panel

Darüber hinaus, und am besten sogar vorgelagert, müssen missglückte Forschungsdesigns und Methoden auch viel stärker auf Konferenzen diskutiert werden. Inspiriert von sogenannten fuck up nights, in denen GründerInnen von gescheiterten Start-Ups erzählen, könnte es solche Geschichten des Scheiterns auch bei Konferenzpräsentationen geben. Entweder in einem eigenen Panel oder noch viel besser in den themenspezifischen Tracks. Gerade bei relativ festen Special Interest Groups, die sich regelmäßig sehen und eine loyale Gemeinschaft sind, dürfte dann auch wenig Angst herrschen, dass solche eingestandenen Fehler einem schaden.

Das entzaubert dann möglicherweise die ein oder andere wissenschaftliche Ikone, macht sie aber gleichzeitig nahbarer und menschlich und die Wissenschaft weitaus ehrlicher. Denn: failure is success in progress.


Eine englische Übersetzung des Beitrags findet sich hier.

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